Justin Heinrich Knecht (1752–1817)
Hintergrundinformationen zum Graffiti vom Streetartkünstler Daniel Schuster (Daschu)

Justin Heinrich Knecht
war der wohl bedeutendste Musiker der Stadt Biberach!
Beruf:
Komponist, Musikdirektor, Musiklehrer, Organist
Persönliches:
geboren am 30. September 1752 in Biberach,
gestorben am 1. Dezember 1817 ebenda
Berufserfahrung:
Musikdirektor in Biberach
1771–1806, 1808–1817
Musikdirektor am Stuttgarter Hof
1806–1808
Verfasser von
„Choralbuch für Württemberg“
„Elementarwerk der Harmonielehre“
„Orgelschule für Anfänger und Geübtere“
„Bewährtes Methodenbuch beim ersten Klavierunterricht“
„Theoretisch-praktische Schule für Generalbass“
Sein „Le portrait musical de la nature, ou Grande simphonie“ [Pastoralsymphonie] (erschienen Speyer, 1785) ist Vorbild für Beethovens „Pastorale“ (6.Sinfonie) geworden.
Kleinmeister und Regionalliga? – Von wegen!

Im Jahr 1800 gründete Friedrich Rochlitz in Leipzig die Allgemeine Musikalische Zeitung. Sie war bis 1848 das wichtigste Musikorgan im gesamten deutschsprachigen Raum. Als Kernteam beschäftigte Rochlitz neben zwei Leipziger Universitätsprofessoren und einer handverlesenen Auswahl von Komponisten den Biberacher Musikdirektor Justin Heinrich Knecht.
Die großen Verlage druckten Knecht.
Notendruck war im 18. Jahrhundert eine kostspielige Angelegenheit. Deswegen ist auch der überwiegende Teil des damaligen Musikschaffens nur handschriftlich überliefert. Verleger überprüften kritisch und genau neben dem künstlerischen Wert auch das kommerzielle Potential, das in einem neuen, „modernen“ Stück steckte. Deshalb ist es etwas sehr Besonderes, dass Knechts Werke nicht nur in der heimatlichen Biberacher Verlagsdruckerei seiner beiden Söhne veröffentlicht wurden, sondern auch von großen Häusern wie Breitkopf und Härtel in Leipzig, Schott in Mainz, Herder in Freiburg oder Boßler in Speyer. Viele seiner Publikationen erschienen sogar in zweiter Auflage. Und so finden sich Knechts Werke auch in Nachlässen berühmter Komponisten wie Beethoven in Wien.
Ein Mann der Praxis
Knecht entwickelte seine Könnerschaft in erster Linie durch ein von örtlichen Lehrern angeleitetes Selbststudium. Früh erwarb er sich Theater- und Konzertpraxis, die ihm durch Christoph Martin Wieland in Biberach und auf Schloss Warthausen vermittelt worden ist. Im selben Alter wie Mozart – mit elf – schrieb er seine ersten Singspiele. Während seiner Zeit im Esslinger Kollegiatstift erwarb er sich das Rüstzeug für eine glanzvolle künstlerisch-akademische Karriere.
Kunst und Brot
Doch es sollte anders kommen. Kein Universitätsstudium schloss sich an, denn der Magistrat der freien Reichsstadt Biberach rief den erst 19-Jährigen in die Heimatstadt zurück. Der junge Mann sollte die Nachfolge seines einstigen Lehrers als evangelischer Präzeptor und städtischer Musikdirektor antreten. Gleichwohl eröffnete ihm dies weiträumige praktische Betätigungsfelder. Auf denen führte er richtungsweisende Neuerungen ein, die Fernwirkung weit über Biberach hinaus entfalteten.
Knecht entwickelte in Biberach die heute noch gängige, damals jedoch völlig ungewöhnliche Konzertdramaturgie aus maximal drei Stücken. Zur besseren Vorbereitung des Publikums verteilte er gedruckte Programme und Werkeinführungen. Als Kirchenmusiker verfasste Knecht nicht nur großbesetzte chorsinfonische, vielfach mit überregionalen Preisen und positiven Rezensionen bedachte Werke, sondern auch Choralbücher für Württemberg und für die protestantische Kirche Bayerns, wofür ihn Königin Karoline von Bayern mit einer Ehrenmedaille auszeichnete.
Mit zahlreichen Bühnenwerken machte er Biberach zu einer Hochburg des im Sinne Wielands neu ausgerichteten deutschen Singspiels. Umso bedauerlicher ist, dass sein mit Mitte 50 gestarteter Versuch einer späten Opernkomponisten-Karriere am Stuttgarter Theater nach nicht einmal drei Jahren glücklos zu Ende ging. „Lieber will ich in Biberach bei meinem Bierle sitzen, als eine solche Hofluft athmen, die mich vom freien Menschen zum Unfreien machte“, bekannte Knecht seinem Biberacher Künstlerkollegen Johann Baptist Pflug.
Ein Jahr vor seinem Tod wird Knechts Charakter wie folgt beschrieben: „Knecht hat einen lebhaften Geist, ist ohne Eigenliebe und Stolz, kein Schmeichler und Heuchler, sondern ein gerader, rechtlicher und gefälliger Mann“.
Dr. Jörg Riedlbauer